Nachruf für einen Freund
Nach Deinem Wege suchtest Du mit Inbrunst. Scheinbar ohne Furcht vor den vielen Steinen. Trotz Deines schweren Erbes, hast Du nach Deinem eigenen Pfad getrachtet. Die Angst holte Dich dennoch ein und Deine Stimme jäh zum Schweigen gebracht. Zu früh und zu tragisch.
Die Nachricht des selbst gewählten Todes eines Freundes, hat mir das Herz zerrissen in diesen Tagen. Ein junger, intelligenter und freundlicher Mensch, ebenfalls ein Künstler und Autor, voller Elan und Mut, hat ein trauriges Ende gefunden, wohl unter der Last seines Lebens zusammengebrochen.
Kein Hilferuf mehr, jedenfalls nicht mir entgegen, nur ein jähes, einsames Finale.
Als wir uns das letzte Mal trafen, zugegebenermaßen schon eine Weile her, sprachen wir über viele Dinge: Das Ende seines Studiums, den kommenden Weg. Auch er war ein Autor und Denker – noch in den letzten Wochen, schrieb ich an einer Nachricht, nach seinem Buch zu fragen, dessen Veröffentlichung wir gemeinsam in Betracht gezogen hatten.
Aber all dies ist schon viel zu lange her.
Und so bleibt die Frage, hätte eine Nachricht etwas an seinem Entschluss geändert und ihm einen neuen Weg aufgezeigt? Zumindest wäre es ein Zeichen gewesen, dass im Leben doch noch etwas anderes wartet, selbst wenn er es nicht sehen konnte und in der Dunkelheit gefangen, keinen Ausweg mehr fand.
Lieber Y…, wie geht es Dir und was macht Dein Leben? Seit unserem letzten Treffen, ist viel geschehen und ich bin ein ganzes Stück weiter, was die Arbeit im Verlag angeht. Und so wollte ich Dich fragen, was Dein Buch macht. Vielleicht finden wir ja einen Weg, es bei uns zu veröffentlichen, auch wenn es in Japanisch ist. Jedenfalls würde es mich freuen, einmal wieder von Dir zu hören. Lass es Dir gut gehen und bis hoffentlich bald! R…
Nun scheint es nicht mehr wichtig, warum ich dann doch noch nicht geschrieben habe, eine bittere Empfindung bleibt jedoch zurück. Mag sein, dass es keinen Unterschied gemacht hätte, allerdings finde ich es besser, an die Möglichkeiten zu glauben, womöglich halten die Menschen oft deshalb zurück, weil sie nicht wirklich an den Einfluss ihrer Stimme glauben, ob nun bei Freunden, Bekannten oder im öffentlichen Leben. Doch jeder Ruf bewirkt eine gewisse Resonanz, keine Stimme verklingt einfach in Stille oder bleibt ungehört. Ich glaube fest daran!
Ich frage mich, was ihn in diese Finsternis getrieben hat? Verstehe es nur zu gut, was mich noch trauriger werden lässt, denn um seine dunkle Krankheit wissend, hätten wir gerade deshalb darüber sprechen und Dir vielleicht helfen können. Wir standen uns dann wohl doch nicht nahe genug, wie jemand treffend anmerkte, ich war nicht in seinem Kreis der Vertrauten, doch ich hätte es sein können, denke ich.
Warum dieses Ende? Möglicherweise, weil es an Stimmen in Deinem Leben fehlte, an Rufen und neuen Richtungen. Ich kann nur vermuten, was es war, dass Du allein gewesen bist im Abschied, ist mir bewusst. Es scheint sehr komplex zu sein und eine wirkliche Antwort auf all die unzähligen Fragen, nicht mehr denkbar. Aber es bleibt so viel zurück, dass an Dich erinnert und das wir in dieser Existenz mit uns tragen können.
Dies ist nicht das Ende, Du gehst gewiss nur in eine andere Existenz über, in der Du hoffentlich das findest, was Dir in dieser nicht beschert war. Und vor allem Deinen Frieden. Ich bin auf dem Weg zu unserem letzten Treffen in diesem Leben. Ich habe Angst davor und auch wenn ich zutiefst wünschte, wir hätten es früher geschafft einander wieder zu sehen, möchte ich auf diese Weise von Dir Abschied nehmen und Deiner Seele ein letztes Geleit, in Dein nächstes Dasein, geben.
Lebewohl, mein Freund…