Lebensansichten
Kunst, Krankheit, Naturkatastrophen, Radioaktivität & Nordkorea…
In dieser Rubrik, folgen wir den Spuren dreier Seiten im Augenblick des Lebens eines Menschen. Die Reihe beginnt mit dem Autor R. Rehahn, der über sein Leben berichtet.
Als ich kürzlich über das augenblickliche Dasein sinnierte, dachte ich, daß neben der persönlichen, privaten Seite eines Lebens, immer auch einige weitere existieren, welche, idealerweise, eher im Hintergrund stehen, ohne bedeutsame Auswirkungen auf den Alltag zu haben.
Wenn diese anderen Seiten des Lebens, wie zum Beispiel politische Situationen oder einem Wandel in der Gesellschaft wichtiger werden oder sogar lebensentscheidend und verändernd, gibt es ein Ungleichgewicht, die zum Leiden der Menschen führt.
Die persönliche Seite des Lebens, in der man soweit es geht von der Regierung, Gesellschaft oder gar politischen Zuständen in Ruhe gelassen wird, scheint mir eine ideale Lebensweise zu sein, in der alles harmonisch verläuft und es eine Balance im Leben gibt.
Mein eigenes Leben betrachtend, gibt es nicht viele Situationen, in denen Einflüsse der Politik, der Umwelt oder Gesellschaft, welche diese Harmonie gestört haben, aber natürlich hat es sie dennoch hier und da gegeben, wie der Wandel im Osten Deutschlands zum Beispiel, vielleicht ein anderes interessantes Thema.
Da wir nicht getrennt von der Gesellschaft oder Natur existieren, gibt es natürlich immer Einflüsse, in Friedenszeiten jedoch, stehen diese eher im Hintergrund.
Die künstlerische Seite
Die persönliche Seite meines Lebens ist gerade in einem steten Wandel und der Weiterentwicklung, in den meisten privaten und professionellen Bereichen.
Viele Schritte, die ich im letzten Jahr vollzogen habe, was meine künstlerische Entwicklung betrifft, führen mich nun auf eine nächste Ebene. Einen eigenen Verlag gegründet zu haben, hat meine Arbeit im Schreiben konzentrierter werden lassen, weil ich mehr als Herausgeber arbeite und deshalb auch kleinere, wie größere Projekte veröffentliche, anstatt ohne Möglichkeit oder Ziel zu arbeiten. Ich habe begonnen in unterschiedliche Richtungen zu schreiben oder beginne zu erkennen, wieviel mehr Buch- oder Textprojekte für eine Vollendung benötigen. Durch meine Arbeit im Verlag, werden auch andere, neue Autoren aufmerksam, die ebenfalls daran interessiert sind, ihre eigenen Bücher zu publizieren, was eine Verlagerung meines professionellen Daseins in andere Bereiche bedeutet, hinweg von der alleinigen Künstlerexistenz in meinem eigenen Kreis, aber gleichzeitig auch mehr Verantwortungen und wichtige Veränderungen in meiner Arbeitsweise mit sich bringen!
Es gäbe noch vieles mehr zu berichten, was die Arbeit als Autor oder im Verlag angeht, aber dies mag ein Bild darüber geben, was hier gerade geschieht — spannende Zeiten.
Und aufgrund der Natur meiner Arbeit, in der alles miteinander verknüpft ist, beginnen sich auch die anderen Aspekte meiner Kunst zu entwickeln: in der Musik, als integralen Teil meines künstlerischen Werkes, hat ebenfalls einen professionellen Wandel erlebt, mit der Erscheinung kleinerer Musikstücke auf den Seiten des Spurenkreises und zusammen mit einem Freund und Musikproduzenten, als Teil einer wunderbaren Gelegenheit, Musik für ein japanisches Label einzureichen und der Vorbereitung lange fälliger Musikprojekte zu realisieren.
Auf der professionellen Seite, gibt es Grund zur Hoffnung und Weiterentwicklung in meinem Leben.
Die private, persönliche Seite
Das letzte Jahr hat viele Veränderungen gebracht, die mich auf eine neue Weise über die Fragilität des Daseins gewahr werden ließen, vielleicht das erste Mal im eigenen Fleisch, in meinem eigenen Körper.
Obwohl das Leben bisher nicht gerade sehr still und zurückhaltend darin war, mir zu zeigen, wie nahe Tod, Krankheit und Traurigkeit oft sein können, die Erfahrung einer eigenen Krankheit ist lebensverändernd, besonders wenn diese Krankheit mit langjährigen Gedanken und Befürchtungen verknüpft ist.
Das letzte Jahr und in diesem scheint es nicht anders zu werden, ist der Tod vieler Familienmitglieder zu beklagen, manchmal durch Krankheit, plötzlich, durch einen tragischen Unfall, immer wieder jedoch schockierend und einen völlig unvorbereitet und tief verletzend.
Wenn es eine Krankeit gibt, von der meine Familie und ich, uns geradezu gejagt fühlen, so wie es sicher vielen Menschen auf der ganzen Welt gehen wird, dann ist es Krebs, weil es wohl leider eine der am weiten verbreitetesten Krankheiten ist, unter der die Menschen leiden müssen.
Und wenn diese Krankheit mit den tiefen und lebenslangen Gedanken und Fragen, ob und wann man Kinder haben möchte, in Verbindung kommt, wird die Komplexität des Ganzen offensichtlich!
Diese Seite ist eine derjenigen, die sich rückläufig entwickelt und deshalb die Gefühle und lange vernachlässigten Entscheidungen umso schwerwiegender gestaltet. Die Frage nach einem Kinderwunsch ist nicht leicht zu beantworten! Aber anders als zuvor, scheint dies nun eine Sache zu sein, die ich nicht mehr nur allein entscheiden kann.
Das Leben führt einen manchmal auf seltsame Wege.
Die gesellschaftliche, politische und globale Seite
Die letzte Seite des Lebens, die ich hier betrachten möchte, ist die soziale, politische, globale Seite, die, für den Augenblick wenigstens, noch immer im Hintergrund weilt.
Aber für wie lange?
Ich lebe in Japan. Naturkatastrophen sind Teil unseres täglichen Lebens. Die meiste Zeit, zieht es an uns vorüber, ohne große Auswirkungen.
Dennoch gibt es Zeiten, so wie es bei dem Tohoku Erdbeben im Jahre 2011 geschah, da die Natur einen festen Griff über unser Leben, auf so tiefgreifende Weise hatte und durch die radioaktive Verstrahlung im Land, auch noch immer hat! Es ist nun ein Aspekt unseres Lebens hier und das wird für eine lange Zeit so bleiben.
Wegen des schrecklichen Erdbebens, hat auch die Angst zugenommen und wann immer es ein neues gibt, ob es nun eher schwach oder doch stark ist, in der Nähe oder weit entfernt, regt sich eine nervöse Aufregung, da Ungewissheit darüber herrscht was man als Nächstes erwarten kann.
Es ist kaum verständlich, wie die neue japanische Regierung auch nur darüber nachdenken kann, erneut zur Atomkraft zurückzukehren, aufgrund der ständigen Gefahr durch Erdbeben und Tsunamis, und der grob fahrlässigen Handhabung dieser Form der Energiergewinnung überhaupt. Energieprobleme sind eine wichtige Aufgabe, die es zu lösen gilt, für die schwere Lage der Wirtschaft, aber kann es auch nur einen Hauch von Vertrauen in die Sicherheit der Atomkraft in Japan geben?
Und weiss die Regierung um die Ängste seiner eigenen Bevölkerung, auch wenn die kritischen Stimmen immer weniger werden? Es gibt noch immer Menschen, die furchtsam ihre Lebensmittel einkaufen und gewissenhaft überprüfen, woher genau Fleisch und Gemüse stammen.
Auf welche Weise sich all dies entwickelt, ist sehr beängstigend! Die Nachrichten aus den am schwersten betroffenen Gebieten, mit Schilddrüsenerkrankungen bei Kindern und Umweltverschmutzung, lassen auf nichts Gutes schließen.
Es scheint, die Verschmutzung der Umwelt, umgibt uns nicht nur in Japan selbst, sondern ebenso aus China. Die chinesische Luftverschmutzung ist ein großes Thema hier in Japan, mit täglichen Berichten über die Luftqualität und Windströme, welche die giftigen Wolken bis nach Japan bringen.
Ein Zyniker würde sagen, daß es seltsam ist, wenn die Japaner dies zur Hauptnachricht machen, wo sie doch selbst die Meere mit Radioaktivität verschmutzen und dies im eigenen Land kein so großes Thema scheint, und das die Chinesen selbst, natürlich noch viel mehr darunter leiden. Wie wunderbar wäre es, wenn Radioaktivität farblich sichtbar wäre! Und dennoch, bleiben beiden Themen zwei unterschiedliche Dinge.
Der Konflikt auf der koreanischen Halbinsel, spitzt sich Woche für Woche zu und da wir sehr nahe leben, ist es ein wichtiges Thema für uns! Wenn ein Krieg unausweichlich ist, auf welche Weise wird es uns betreffen? Japan ist einer der “Feinde” der kommunistischen Regierung und jeder Konflikt wird sicherlich Auswirkungen auf alle umliegenden Länder und Menschen haben!
Werden die globalen Seiten des Lebens, einmal mehr Einfluss gewinnen und kleinere menschliche Fragen, wie die Entwicklungen des Arbeitslebens oder private Sorgen, aufgrund der Angst um das Leben und die Sicherheit der Existenz selbst, einmal mehr in den Hintergrund gezwungen?
Mehr als alles in der Welt, bin ich hoffnungsvoll, das Leben bleibt friedlich, nicht allein für mich selbst, aber für alle Menschen — ein Wunsch, der vielleicht unmöglich ist, wirklich Realität zu werden, ich weiss, doch man kann träumen, daß die persönlichen, privaten Seiten des Lebens im Vordergrund bleiben, denn in ihnen findet der Mensch als Individuum Entwicklung und Harmonie!
R. Rehahn, 09.03.2013